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Die mitteldeutschen Kreisgrabenanlagen der Trichterbecherzeit – Genese, Funktion und gesellschaftliche Bedeutung

 

Abb. 1  Luftbild der Kreisgrabenanlage Belleben I (Salzlandkreis, Sachsen-Anhalt). Blick nach Ost. Photo: R. Schwarz, © LDA Sachsen-Anhalt, Halle.


Abb. 2  Magnetogramm der Fundstelle Belleben I. © Martin-Luther-Universität, Halle.


Abb. 3  Belleben I. Die freigelegte Osthälfte der Anlage. Durchmesser des Kreisgrabens ca. 92 m. © Martin-Luther-Universität, Halle.

Monumentale Erdwerke der Trichterbecherzeit (4100 - 2800 v. Chr.) sind seit mehr als 100 Jahren bekannt und stehen seitdem im Interesse der archäologischen Forschung. Aufgrund ihrer Größe und Struktur stellen sie grabungstechnisch und interpretatorisch eine besondere Herausforderung dar. Im Laufe der Erdwerksforschung wurde eine Vielzahl von Funktionen für diese Denkmalgattung vorgeschlagen. Diese reichen vom profanen Viehkral bis zur sakralen Kultstätte (zusammenfassend z. B. bei RAETZEL-FABIAN 1999; BERTEMES 1991). Eine Beurteilung der tatsächlichen Funktion solcher Anlagen im Kontext der ersten komplexen Gesellschaften Mittel- und Nordeuropas kann jedoch - wie das trichterbecherzeitliche Erdwerk Sarup auf Fünen zeigt (ANDERSEN 1997) - ausschließlich durch eine systematische Freilegung erreicht werden.

In einer zunehmend hierarchisch strukturierten Siedlungslandschaft spielen Erdwerke eine wichtige Rolle bei der Beurteilung der Genese und Art sozialer Differenzierungsprozesse im Rahmen immer vielschichtigerer Austauschsysteme. Das im gesamten Trichterbecherverband auftretende Merkmal von Erdwerken war bis vor kurzem ihre unregelmäßige, die Geländemorphologie nicht berücksichtigende Gestalt. In den letzten Jahren wurden jedoch mit Hilfe von großflächigen Befliegungen z. B. in Sachsen-Anhalt, Südostniedersachsen und Nordhessen auffällig viele Kreisgrabenanlagen entdeckt (SCHWARZ 2003; SPATZIER 2009). Die Errichtung von monumentalen kreisförmigen Anlagen einerseits und nicht-kreisförmigen Erdwerken andererseits weist auf tief greifende Veränderungen auf gesellschaftlicher Ebene hin. Diese Veränderungen fanden vermutlich auf sozialer, ökonomischer und kultisch-religiöser Ebene statt. Lassen sich Grad und Ausmaß des Wandels zeitlich und räumlich an der hohen Dichte von neu entstehenden kreisförmigen und nicht-kreisförmigen Erdwerken ablesen?

Das Projektvorhaben hat zur Aufgabe durch vollständige oder teilweise Ausgrabung mehrerer solcher Anlagen und der Erforschung ihrer unmittelbaren Umgebung, nicht nur einen Überblick über die Struktur solcher Monumente zu erhalten, sondern darüber hinaus deren Genese, Funktion und gesellschaftliche oder kultisch-religiöse Bedeutung im Rahmen des Trichterbecher-Verbandes zu klären. Darüber hinaus sollen die Unterschiede zwischen verschiedenen Erdwerksgattungen herausgearbeitet werden.

Es deutet sich an, dass baalbergezeitliche Gräber oder Trapezgrabenanlagen mit den zeitgleichen Rondellen in Beziehung stehen. Daher ist es von entscheidender Bedeutung die mancherorts in erkennbar räumlichem Bezug auftretenden Trapezgrabenanlagen in die Betrachtungen mit einzubeziehen. Die in der exemplarischen Mikroregion um Belleben (Salzlandkreis) und Gerbstedt (Mansfeld-Südharz) gewonnenen Daten zu unterschiedlichen Quellengattungen, wie Kreisgrabenanlagen, nicht-kreisförmigen Erdwerken, Siedlungen und Gräbern, sollen mit einem GIS raumanalytisch ausgewertet werden.

Die Ergebnisse der Ausgrabungen und der unmittelbar anschließenden Fundanalysen werden zu neuen Sichtweisen der trichterbescherzeitlichen Fundlandschaft in Sachsen-Anhalt im Speziellen und Mitteldeutschland imit angrenzenden Gebieten m Allgemeinen führen und eine differenzierte Aussage zur Bedeutung und Funktion der Kreisgrabenanlagen der Mikroregion um die Ortschaften Belleben und Gerbstedt ermöglichen.